Wallfahrtskirche zum Gegeißelten Heiland in der Wies
Wieskirche
Steingaden-Wies, Oberbayern, Deutschland
1745-1749 Chor und Prioratsgebäude
1750-1754 Laienkirche
1756/57 Querarmaltäre und Orgel
Architektur, Stuck und Hochaltar: Dominikus Zimmermann (1685-1766);Stuckentwürfe und Deckenfresken: Johann Baptist Zimmermann (1680-1758);Hochaltarblatt: Balthasar Augustin Albrecht (1687-1765);Querarmaltäre: Dominikus Bergmüller aus Türkheim (1707-1773);Skulpturen im Chor: Ägid Verhelst (1696-1749);Skulpturen in der Laienkirche: Franz Anton Sturm (1690-1757)
Sakralbau (Wallfahrtskirche)
Marian Mayr (reg. 1745-1772), Abt der Prämonstratenserabtei Steingaden
Bauanlass war ein Tränenwunder, das sich in der Einöde Wies am 14. Juni 1738 an einer den Gegeißelten Heiland verkörpernden Prozessionsfigur ereignet haben soll. Eine daraufhin durch die nahe Prämonstratenserabtei Steingaden erbaute Gnadenkapelle wurde bald wegen des anwachsenden Wallfahrerstroms zu klein, weshalb man den Wessobrunner Baumeister und Stuckateur Dominikus Zimmermann verpflichtete, eine großräumige Kirche zu errichten. Diese wurde, nachdem am 10. Juli 1746 die Grundsteinlegung vollzogen war, in zwei Bauabschnitten aufgeführt, zunächst bis 1749 der auch allein als Gnadenkapelle funktionierende Chorbau mitsamt dem daran anstoßenden Prioratsgebäude, sodann die als Zentralbau angelegte Laienkirche, die am 1. September 1754 geweiht werden konnte.
Das in die Hügellandschaft zu Füßen der Trauchberge eingebettete Ensemble besteht aus dem Kirchenbau sowie dem an den Chor anstoßenden U-förmigen Prioratsgebäude, welches als Priesterwohnung, Wallfahrerhospiz und zugleich dem Steingadener Abt als Sommerresidenz zu dienen hatte. An die als ovaler Zentralbau angelegte Laienkirche mit innen verlaufendem Prozessionsumgang schließt sich der von Herrschaftsemporen begleitete, mit buntfarbigen Marmorimitaten und vergoldetem Rocaille-Stuck prunkende Chor an. In ihm erhebt sich der in die Säulenarchitektur der Emporen integrierte doppelstöckige Wallfahrtsaltar. Die Bogenzone der überwiegend freskierten Gewölbe ist mit einem vollreifen Rocaillestuck dekoriert, dessen Ornamentstruktur auf eine hier einzigartige Weise auch die Bögen und Fenster der Architektur mitformt, was aufgrund der Holzbauweise des Gewölbes soweit getrieben werden konnte, dass im Chor auf eine statisch absurde Weise die Bögen durchzuhängen scheinen.
View Short DescriptionMit der in die Hügellandschaft des oberbayerischen Voralpenlandes eingebetteten Wieskirche schuf der berühmte Kirchenbaumeister und Stuckateur Dominikus Zimmermann nicht nur sein Hauptwerk, sondern indem sich der virtuose Rocaille-Stuck auf kapriziöse Weise die lichtumspielte Architektur Untertan macht, auch die Rokoko-Kirche schlechthin. Die Gewölbe lichten zieren zudem zart buntfarbige Fresken von der Hand seines Bruders Johann Baptist.
Durch chronikale Quellen.
Chor
um 1748/49
Altararchitektur: Dominikus Zimmermann (1685-1766);Skulpturen: Ägid Verhelst (1696-1749);Altarblatt: Balthasar Augustin Albrecht (1687-1765)
Einem in Bayern für Wallfahrten gebräuchlichen Typus folgt der als tiefengestaffelte Baldachinarchitektur konzipierte Hochaltar, indem er zusätzlich zum ebenerdigen Gnadenaltar auf Emporenniveau einen Zelebrationsaltar für Festmessen aufweist, dessen Altarblatt die Hl. Familie zeigt. In gewolltem Widersinn zur fingierten Marmormaterialität stehen die teigig modellierten Sockel und Gebälke.
Gewölbe der Laienkirche
Um 1753/54
Johann Baptist Zimmermann (1680-1758)
Das in lichten, zartbunten Farben gemalte Hauptfresko thematisiert heilversprechend und sinnfällig das Jüngste Gericht als Ziel des Erlösungswerkes Christi, das mit dessen Leiden im Vorfeld der Kreuzigung begann. Gegenüber dem Tor zur Ewigkeit, vor welchem Chronos gestürzt das Zeitenende symbolisiert, ist Christus als Weltenrichter der Thron bereitet.
Laienkirche, Pfeilerpaar links des Chores
um 1753/54
Entwurf: Dominikus Zimmermann (1685-1766);Ausführung: Pontian Steinhauser (1688-1755)
Von Putti als Abgesandte der Himmlischen Heerscharen bevölkerte Ornamentgebilde umwuchern den Kanzelfuß und türmen sich auf dem Schalldeckel. Die alttestamentarischen Gesetzestafeln verweisen auf Gottes Wort, Symbole der vier lateinischen Kirchenväter auf dessen theologische Ausdeutung und ein auf einem Fisch reitender Knabe auf die getaufte Seele als Empfänger der durch die Predigt vermittelten Heilsbotschaften.
Laienkirche, Pfeilerpaar rechts des Chores
um 1753/54
Entwurf: Dominikus Zimmermann (1685-1766);Ausführung: Pontian Steinhauser (1688-1755)
Das bescheidenere Pendant zur Kanzel bildet die aber nicht minder virtuos modellierte und dekorierte Loge des Steingadener Abtes.
Pfeilerpaare der Laienkirche zu Seiten der Querarme
um 1754/56
Franz Anton Sturm (1690-1757)
Die noch von verhaltenem barocken Pathos beseelten Statuen der vier lateinischen Kirchenväter zählen zu den Hauptwerken ihres Schöpfers.
Pörnbacher, H., Die Wies. Wallfahrtskirche zum gegeißelten Heiland (Kleine Kunstführer 1), 23., neu bearbeitete Auflage, Regensburg, 2002.
Petzet, M. (ed.), Die Wies. Geschichte und Restaurierung (Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 55), München, 1992.
Harries, K., The Bavarian Rococo Church. Between Faith and Aestheticism, New Haven/London, 1983, 94, 139-144.
Bauer, H./Rupprecht, B. (eds.), Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland, Bd. 1: Freistaat Bayern, Regierungsbezirk Oberbayern. Die Landkreise Landsberg am Lech – Starnberg – Weilheim-Schongau, München, 1976, 600-623.
Hitchcock, H.-R., German Rococo: The Zimmermann Brothers, London, 1968, 68-78, 91, 94.
Peter Heinrich Jahn "Wallfahrtskirche zum Gegeißelten Heiland in der Wies" in "Discover Baroque Art", Museum With No Frontiers, 2024. https://baroqueart.museumwnf.org/database_item.php?id=monument;BAR;de;Mon12;12;de
Autor: Peter Heinrich Jahn
MWNF Arbeitsnummer: DE3 12
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